Mongolei |
Eine meiner eindrücklichsten Erfahrungen bringt Folgendes zum Ausdruck: Schweigen ohne Peinlichkeit ist die Begleitung elementaren Erlebens. Hier ist alles frei von Begriffen wie Eigentum, Nutzungsrecht, Verpflichtung oder anderen Sprachregelungen menschlicher Kompromissinteressen. So wird jede Empfindung größer, ruhiger und reiner. Jeder Eindruck ist so intensiv und vielfältig, dass die Zeit aufhört zu vergehen.(Der gitterlose Käfig, Manfred Schmidbauer)
Wieder mit dem Rad unterwegs zu sein und die Weiten der Mongolei in sich aufzunehmen, mit ihrer einfachen Lebensweise, Jurten, riesigen Herden, interessanter Kultur und unverstellter Natur war mein Wunsch. Und wirklich, schon nach wenigen Tagen, fand ich mich wieder in einer wunderschönen Landschaft und fast meditativ ging es über die Pisten dahin und ich hatte das Gefühl, schon länger wieder on tour zu sein. Mit der Zeit fiel auch die Anspannung ab, die verbunden war mit einigen Unsicherheiten. Zum einen spürte ich, dass mein operiertes Knie genügend Kraft für diese Art der Fortbewegung hatte und außerdem, dass die Verabredung mit Beat (www.betzgi.ch) klappte. Denn Beat war bis dato schon etliche Kilometer von Kirgistan in die Mongolei unterwegs und genaues Terminieren war nicht ganz so einfach. Umso größer war die Freude darüber ihn am Flughafen in Ulan Bator zu sehen. Und schlagartig waren die letzten hektischen Stunden im Zug und Flugzeug über Moskau in die mongolische Hauptstadt vergessen. Gemeinsam ging es im Morgengrauen zum netten Guesthouse Oasis, wo wir erstmal Wiedersehen feierten und uns gemeinsam organisierten, mit anderen Weltreisenden Infos austauschten und schon mal den ersten Wodka testeten.
In Kharkorin ist es sicher ein Muss, das alte Kloster Erdenet Suu zu besichtigen, welches nicht nur alte und gut erhaltene Buddhafiguren beheimatet, sondern auch neu restaurierte Tankas. Schwer vorstellbar ist allerdings, dass diese Stadt unter Dschingis Khan bzw. seinem Enkel Khublai Khan mit die einflussreichste Stadt weltweit gewesen ist. Schon bald drängt es uns auf die Piste, auch wenn es der windigste - natürlich Gegenwind! werden sollte. Ein guter Einstand und ich bin doch froh (auch wegen meinem Knie), dass es zumindest nicht zu holprig oder bergig losgeht. Nach rund 4 Tagen erreichen wir den Terkhiin Tsagaan Nuur - oder auch White Lake, Weißer See genannt. Bezeichnend ist die vulkanische Landschaft rund um den sehr schön gelegenen See. Einen dieser Vulkane besteigen wir am nächsten Tag und genießen einen faulen Tag auf dem Lavagestein, inmitten eines Blumenmeeres liegend und im See badend. Unser Zelt haben wir auf der anderen Seeseite aufgestellt, weit weg von den Touri-Camps und kommen dafür in den Genuss mongolischer Gastfreundschaft und bekommen nicht nur feinen Milchtee serviert, sondern auch leckeren frischen Yoghurt und Airol, die typische getrocknete Variante des Quarkes. Schlagartig nach dem Tourispot White-Lake hört auch die gute Piste auf und es ist kaum mehr Verkehr, sehr zu unserer Freude. Auch sind die Wege recht gut zu radeln, da sich eigentlich immer wenigstens eine gute Spur für das Rad finden lässt. Nur manchmal ist es zu sandig und wir müssen etliche Meter die Räder schieben. Die folgenden Tage sind durchaus abwechslungsreich, und immer öfter sehen wir Wälder und schöne Bachverläufe. Eigentlich finden wir fast jeden Abend einen Fluss oder See zum Wasser auffüllen und baden. Einige male jedoch sehen wir uns unverhofft an unbewohnten riesigen und wunderschönen Salzseen wieder. Wir dehnten unsere Route weiter gen Westen aus und kamen vorbei am Telmen Nuur und Oygen Nuur, bevor wir unseren Wendepunkt erreichten. Hier wurden die Pisten doch recht abenteuerlich und waren oft nicht mehr als bessere Wiesenwege, die sich durch herrlichste Enzian-, Edelweiß- und Asternwiesen schlängelten. Eigentlich erstaunlich, dass wir auch in diesen abgelegeneren Gebieten immer wieder genügend Einkaufsmöglichkeiten fanden. Oft gab es gar deutsche Gut & Günstig - Produkte wie Erdnüsse, Doppelkeks, Honig... und deshalb kauften wir immer ordentlich ein. Da die Mongolei so gut wie keine eigene Industrie hat, muss sie fast alles importieren, was wir in den Tante-Emma-Läden merkten. Zu unseren Lieblingskeksen avancierten die Usbekischen und Türkischen, dicht gefolgt vom Super-King-Size- Snickers und dem immer vorhandenen Bier. Da war schmackhaftes Brot schon eher Mangelware. Wie gut, dass ich immer noch Schätze, wie Bergkäse und Geräuchertes...aus meinen Taschen zaubern konnte. Mit etwas Planung und auf Vorrat einkaufen, klappt es gut, denn man weiß eigentlich nie so richtig, wie groß die eingezeichneten Dörfer sind; zuweilen eben nur aus drei oder vier Jurten bestehend. Bald waren für mich die ersten 1000 km erreicht und wir waren beide sehr angenehm überrascht, wie grün und abwechslungsreich sich doch uns die Landschaft und die Leute präsentierten. In Tsagaan-Uul wollten wir die direkte Strecke gen Norden wählen, nur rieten uns etliche Einheimische davon ab. Es dauerte eine Weile, bis wir verstanden, dass der zu durchquerende Fluss Delger Moron sehr tief sein kann; manche machten gar Schwimmbewegungen, um uns anzudeuten wie hoch der Wasserstand sei. Deshalb entschieden wir uns für die längere Strecke über Mörön, was uns sagenhafte Canyonlandschaft bescherte. Der Vollmond tat sein Übriges, um den Zauber der Mongolei noch zu verstärken. Ab hier begegneten wir immer öfter riesigen Schaf-, Ziegen-, Yak- und Pferdeherden, welche die Einheimischen gar in eineinhalb bis zwei Wochen von ihrem Ort bis nach Erdenet, zum ersten Bahnhof zu treiben, um sie dort nach Russland zu verkaufen. Bis Mörön haben wir herrlichstes Sommerwetter. Schon könnte man sagen, es ist zeitweise sehr heiß, die Sonne zeigt gnadenlos ihre Kraft und wir nutzen jede nur erdenkliche Möglichkeit um uns in Flüssen abzukühlen. In der Kleinstadt nehmen wir uns zum ersten Mal ein Zimmer, vor allem deswegen, weil wir seit Wochen das erste Mal wieder Strom vorfinden und unsere sämtlichen Batterien und Akkus laden müssen. Ab dem Pass vor Bayanzurgh umgibt uns sehr plötzlich und unerwartet Lärchenwald, der Beginn der Roten Taiga wie sie hier genannt wird, da sich die Bäume im Herbst in die herrlichsten Orange-gelben Farben färben. Auf dem Weg nach Tsagaan-Nuur, dem nördlichsten Dorf am gleichnamigen See gelegen treffen wir einige Franzosen, welche uns von den Tsaaten erzählen. Ein Volksstamm, welcher noch immer mit und von Rentieren lebt und in Tipi-Zelten hausen. Sie sind davon so begeistert, dass auch wir spontan entscheiden, wenn möglich, vor Ort einen Ausflug dorthin zu organisieren. Und tatsächlich können wir in kürzester Zeit das notwendige Permit für das Grenzgebiet auftreiben - auch wenn eigentlich Sonntag ist. Keine vier Stunden später sitzen wir schon hoch zu Ross und reiten mit Bayarma und ihrem Mann Batar in Richtung Taiga. Wie froh waren wir doch über die mongolischen Deels, der traditionelle Mantel, den uns die Gastgeber mitgegeben haben, denn am Nachmittag begann es bei Temeraturen um die Null Grad zu regnen. Und da wir beide eben nicht wirklich reiten können, kamen wir dementsprechend langsam voran. Unser Zelt war mittlerweile patschnass und die Vorstellung in diesem heute zu nächtigen war nicht gerade angenehm. Die ersehnte Rettung war die warm eingeheizte Holzhütte von der Schwester der Bayarma. So konnten wir bei heißem Tee und Essen alles über dem Kanonenofen trocknen. Das Begrüßungskomitee sind die ersten Rentiere und etliche halbwilde Hunde, deren Wolfsabstammung noch deutlich zu erkennen ist. Herzlich werden wir in eines der Tipis zu einem Begrüßungstee gebeten. Wie immer bekommen wir einen Ehrenplatz zugewiesen, Airol angeboten und wie es hier im Norden üblich ist, frisch gebackenes Hefebrot mit Butter und Zucker. So lecker. Gegen Abend klart der Himmel auf und wir genießen diese herrliche Abendstimmung und streunen durch die Siedlung und sind angetan von den vielen Rentieren. Besonders die weißen Rentiere sind hübsch anzusehen, zeigen jedoch auch auf, dass die Durchmischung der Herden nicht mehr genügend erfolgt. Im Camp selbst sind rund ein Dutzend Tipis, welche alle zu einer großen Familie zählen. In der weiteren Umgebung, auf mongolischem Boden gibt es noch zwei weitere Ansiedlungen. Insgesamt sind es nur mehr rund 260 Tsaaten, die ursprünglich von den russisch-stämmigen Tuwas abstammen. Ihr Überleben wird nun zum Teil von der mongolischen Regierung unterstützt; außerdem von v.a. Japanischer Entwicklungshilfe. Die Rentiere selbst sind alle markiert, also absolut domestiziert. Es berührt mich sehr zu sehen, mit wie wenig man auskommen kann. Im Tipi befindet sich außer dem Kanonenofen nur eine kleine grob selbstgezimmerte Stellage für die wenigen Schalen, Teller und Töpfe. Ansonsten liegen die zusammengerollten Decken an den Seiten, man sitzt auf Teppichfetzen oder Rentierfellen, welche den Boden nur dürftig bedecken. In manchen Tipis findet man mittlerweile auch einen kleinen Fernseher, und dementsprechend Autobatterien zum Laden. Sonnenkollektoren haben die meisten und somit haben sie wenigstens Licht. Schon sehr komisch im letzten Winkel der Mongolei zu sitzen und die Ankunft der mongolischen Olympioniken in UB auf dem Fernsehbildschirm mitzuverfolgen. Läuft erst mal der TV, ist das Tipi mit vielen Leuten gefüllt, gesprochen wird nicht mehr, sondern nur noch gespannt auf die Röhre geschaut.
Am folgenden Tag erleben wir einen wunderschönen, klaren Herbsttag mit fantastischer Fernsicht au f die Grenzgipfel zur russischen Taiga, stapfen weglos über moosbewachsene Hänge, durch herrlichen Lärchenwald und Heidelbeersträucher. Nach einer weiteren Übernachtung reiten wir im Trab in rund sieben Stunden zurück nach Tsaganuur Village und machen uns gar noch mit dem Rad auf den weiteren Weg gen Osten. Entlang der herrlichen Seenplatte gelangen wir nach Rechinlumbe, von wo aus wir den Pass Jegliyn Davaa in Angriff nehmen wollen. Da dieser nur als Pferdetreck eingezeichnet ist, sind wir gespannt, wie wir es bis zum nächsten Ziel, den Chövsgöl See, schaffen werden. Einheimische zeigen uns den richtigen Weg und der anfänglich nur wenig sumpfige Pfad wird bald schlimmer. Immer öfter müssen wir waten und das Rad schiebend vorwärts bringen. Auch die vielen Flussfurten sorgen für Abwechslung und kalte Füße. Bald bin ich nur noch barfuß in Sandalen unterwegs, die Hose hochgekrempelt und kämpfe mich voran. Beat sieht das lockerer, mir macht die Kälte doch zu schaffen. Aber die grandiose, einsame Gegend entschädigt für die Anstrengung. Der kommende Tag über den eigentlichen Pass sollte noch schlimmer werden. Sumpfiger Permafrostboden lässt uns bis zu den Knien einsinken, das Rad wuchten wir vorwärts, da auch dieses bis zu den Satteltaschen im Schlamm steckt und das Ganze bergauf wie bergab. Wie froh sind wir mittags dann den kristallklaren Chövsgöl Nuur zu erreichen. Hier legen wir einige ruhige Tage ein, baden, waschen unsere Klamotten, befreien die Räder vom Schlamm und machen sie wieder gängig, und vor allem genießen wir diese unglaublich schöne Stimmung.
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