Indiens abgelegener Nordosten Drucken
Geschrieben von: Lutzi   
Freitag, 26. Februar 2010 um 10:14

Indiens abgelegener Nordosten

 

Unser Ziel ist der Nordosten von Indien, und zwar die Provinz Arunachal Pradesh, das an Myanmar, Tibet und Bhutan grenzt und deren 26 verschiedene Stämme ebenso tibeto-burmesischen Ursprungs sind. Somit eine sehr interessante, spannende Ecke und für mich ein kultureller  Schulterschluss dieser aus der Mongolei stammenden Völker.

Bevor wir dort allerdings anfangen, machen wir nach Myanmar einen Zwischenstopp in Kalkutta. Diese 15 Millionenstadt zeigt mir in der abendlichen Rush-Hour die Verrücktheit Indiens in all seiner Deutlichkeit auf und im Taxi sitzend drücke ich ständig auf ein imaginäres Bremspedal. Kalkutta ist ein erster Vorgeschmack auf die krassen Gegensätze, die sich mir in Indien bieten werden. Die vielen Obdachlosen, die am Gehsteig schlafen und leben, Müll sortieren, betteln inmitten der modernen Großstadt – eine unbeschreibliche soziale Kluft.

Unseren Schwerpunkt in Arunachal Pradesh (AP) legten wir erstmal auf Festivals und auch hier wurden wir Zeuge wie mittlerweile die Modernität selbst in abgelegenste Gebiete Einzug gehalten hat und mussten immer wieder wir staunen. So bringen sie noch Tieropfer, tragen ihre traditionellen Gewänder, tanzen zu über Generationen überlieferten Liedern, … und auf der anderen Seite sieht man viele junge Leute in moderner westlicher Kleidung, halten Tanzwettbewerbe auch auf aktuelle Songs ab oder zeigen in einer Miss-Show herrlich schöne selbst entworfene und geschneiderte Abendkleider.

In den meisten Gegenden hausen sie in Bambushütten und Männer gehen ohne ihr umgehängtes Buschmesser oder/und Gewehr fürs Jagen nicht außer Haus.

Interessant ist, dass sich die unterschiedlichsten Stämme untereinander kaum bzw. nicht verständigen können, da sie komplett andere Sprachen sprechen, selbst wenn sie nur wenige Kilometer voneinander entfernt wohnen. Allerdings ist es aufgrund der zergliederten Landschaft auch nicht ganz verwunderlich. Kaum mal hundert Meter führen geradeaus und somit ist es zum Radeln ein Genuss. In unzähligen Kurven winden sich die kaum befahrenen schmalen Straßen ständig bergauf oder –ab.
Die Straße nach Tawang führt uns sogar über den 4100 m hohen Selapass und bringt uns in das von Monpa-Tibetern besiedelte Gebiet. Viele Gebetsfahnen, Stupas und Gompas sind Ausdruck ihres tibetischen Buddhismus, der allerdings im Vergleich zu China deutlich weniger aktiv gelebt wird. Hier sind wir zu Losar, dem buddhistischen Neujahrsfest, das wir leider nur enttäuschend in kleinem Rahmen mitfeiern können.
Besonders schöne Erlebnisse haben wir auf einer sehr abgelegenen Strecke durch das Nishi-Gebiet, dem größten Stamm in AP. Hier werden wir zur Attraktion; wenn wir in den Dörfern stoppen, sind wir in kürzester Zeit umringt von Einheimischen und v.a. unzähligen Kindern. In manchen Gegenden sehen sie zum ersten Mal Ausländer und ihr Erstaunen, ihre Neugier, ihre Herzlichkeit ist unglaublich offen und ehrlich. Die Abende verbringen wir meist an den offenen Feuerstellen in ihren Bambushütten, wo sie uns sehr unkompliziert an ihrer Kultur teilhaben lassen. Strom und Fernseher gibt es nicht und so erleben wir, wie sie mit einfachsten Mitteln auskommen, v.a. wenn wir erfahren, dass während der Regenzeit Dörfer drei Monate von der Außenwelt abgeschnitten sind. Spezialisiert sind sie hier u.a. auf das Kochen im Bambusrohr, welches einfach ins Feuer gestellt wird, z.B. Huhn mit Ei, Kartoffeln mit Chili oder auch selbstgefangene Mäuse aus dem Wald – sogenanntes Tribal Food.

In Ziro, dem Gebiet der Apatani werden wir von einem Freund herumgeführt und seine Geschichten über seinen tief verwurzelten Animismus sind äußerst interessant und wir sehen die Apatanifrauen mit ihrem typischen Gesichtstatoo und Nasenschmuck. Außerdem gehen wir einen Tag in den umliegenden dichten Pinienwald, um ihre Jagdmethoden näher kennenzulernen. Als Abschluss werden wir noch das Nyokumfest des Nishi-Tribes bei Itanagar miterleben und mit ihr die Herzlichkeit der Tribal People in Arunachal, das schmackhafte Reisbier, die Priestersegnung bevor die nur in AP lebenden Yakähnlichen Mithuns geopfert werden.

Bleibt zu hoffen, dass die Stämme ihre Identität noch länger wahren können, sie das allgegenwärtige Abfallproblem in den Griff bekommen und auch weiterhin stolz sind auf ihre einfache Lebensweise.