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Jadedrachenberg, Tigersprungschlucht und Dongbakultur
Geschrieben von: Lutzi   
Freitag, 31. März 2006 um 09:22
In Kunming hole ich Thomas, meinen Südtiroler Bekannten vom Flughafen per Rad ab. Natürlich ist das eine Riesenfreude und noch im Eingangsbereich des Flughafens gibt es die erste Bescherung mit Mutsch's frischgebackenen Nussecken, die mitgeschickten Briefe und Bilder. Außerdem bekomme ich meine zwischenzeitlich heimgeschickten Fronttaschen, Zelt und Kocher wieder, da wir auf der vor uns liegenden Etappe auch campieren wollen. Na fein - zurück zum vollbeladenen Rad.
In den darauffolgenden Tagen legen wir die Strecke nach Lijang mit dem Bus zurück und machen Zwischenstopp in Dali. Beide Städte warten mit Naxikultur auf und wir treffen einige der 25 Minority-Gruppen wie die Dai, Yi, Bai-People an. Die Häuser sind mit viel geschnitztem Holz verziert und bunt bemalt, wobei die meisten Gebäude nur mehr auf alt getrimmt sind. Besonders in Lijang, das nach einem schweren Erdbeben wieder aufgebaut wurde und nun von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden ist. Trotzdem strahlen sie eine angenehme Atmosphäre aus und ich genieße das Bummeln, das schmackhafte Baba-Bread (frittiertes Brot mit Kräuter und eine Art Geräuchertem...), die Tänze der einheimischen Naxibevölkerung in ihrer blau-weißen Tracht (was mittlerweile leider zu einer reinen Touriattraktion ausgeartet ist; Chinesen tanzen mit ihnen im Kreis am Marktplatz, einer der Alten trägt den Kassettenrecorder, aus dem leicht schräg die Musik dröhnt...). Abends tobt der Bär, wenn ganze Gruppen sich über die unzähligen schmalen Wasserkanäle Jasso-Jasso-JaJa-So zuschreien und sich immer wieder neu das Wort geben. Die verwinkelten Gassen sind nachts toll beleuchtet, etliche rote chinesische Ballons hängen zur Zierde, man schickt Kerzenboote als Glücksbringer auf das Wasser oder hört sich die traditionelle Naximusik im Theater an - eine der ältesten überlieferten Stilrichtungen. Zudem zeugen Schriften von der Dongbakultur, eine Art Schriftsprache mittels Zeichen und Symbolen - ähnlich den Hieroglyphen.
Nach den Stadtbesichtigungen ziehen wir mit unseren Rädern los. Den Jadedrachenberg (oder auch SnowMountain) genannt immer vor Augen, schlagen wir die östliche Route zur Tigersprungschlucht (TigerLeapingGorge) ein. Leider ist das über 5600 m hohe Bergmassiv meist in Wolken gehüllt. Starker Gegenwind und lange Pässe zehren zwar mal wieder an der Motivation, aber als wir zum tollen Sonnenuntergang auf über 3200 m unser Zelt aufschlagen, ist alles wieder im Lot. Den erhofften Sonnenaufgang vereiteln uns leider die Wolken. Von der Passhöhe haben wir erst mal einen über 30 km langen Downhill zum Yangtse-River, den wir mittels Fähre überqueren. Bis hierher war es super, auch wenn wir die Räder über die letzten Meter zum Fluss einen steilen Wanderweg hinunterbugsieren müssen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist es weitaus anstrengender. Hier tragen wir erst mal die Taschen und Bikes getrennt hoch oder gar mit vereinten Kräften zu zweit. Uff- steiler geht's fast nicht mehr und das Ganze bei sengender Hitze. Dieser Übergang markiert den Beginn der Tigersprungschlucht, welche wir am darauffolgenden Tag erwandern und uns faszinierende Tiefblicke bietet, zählt sie doch mit fast 4000m Einschnitt zu der zweittiefsten Schlucht der Welt.
Zwei weitere Tage geht es über lange Pässe durch tolle, endlose Wälder mit Pinien-, riesigen Fichten-, Tannen-, frisch ausschlagenden Lärchenbestand und blühenden Rhododendren und Camellia. Im Hintergrund grüßt uns der Haba-Mountain, wir bestaunen die tollen und kunstvoll terrassierten Felder mit Getreide, Reis, welche sich mit dem saftigen Grün sehr kontrastreich von den rotbraunen Sandböden abheben. In den wenigen, aber netten Dörfern blühen die frühlingshaften Bäume, wir sehen Brennöfen für Ziegelsteine und Tonkrüge, treffen auf Kinder, die entweder erschreckt vor uns davonlaufen oder neugierig neben uns herrennen. Besonders sehenswert sind die weißen Kalkterrassen in Baishutai.

Kurz vor Zhongdian ändert sich schlagartig die Kultur. Die Häuser sind nun im tibetischen Stil gebaut, mit hohen fast fensterlosen Wänden, massiven Holzträgern und Schnitzwerk  und ähneln so den großen Bauernhäusern in Südtirol, die Holzschindeln der Dächer sind mit Steinen beschwert. Die tibetischen Gewänder gewinnen Überhand, man sieht die Männer mit Pelzmützen und Schnupftabakdose, die Frauen mit ihren gestreiften Schürzen.
So erlebe ich Zhongdian als äußerst angenehm und authentisch. Es herrscht ein regelrechter Bauboom und neben den großen Wohnanlagen in der New Town, werden stilvolle tibetische Häuser im alten Stadtkern gebaut und renoviert. Insbesondere wenn die Einheimischen spätnachmittags zur nahen riesigen Gebetsmühle auf dem mit Gebetsfahnen übersäten Hügel hinter der Old Town pilgern, sie diese im letzten Sonnenlicht drehen und dabei ihr Om mani padme hum beten. Anschließend versammelt sich auf dem Hauptplatz Groß und Klein, Jung und Alt und tanzt traditionelle Tänze, wobei die Alten die Schritte den Jungen überliefern. Ich mische mich auch unter das tanzende Völkchen und wurde von meinen Nachbarinnen gleich unter ihre Fittiche genommen. Lustig zu sehen, wie die alten Frauen in Tracht tanzen und stoppen, wenn ihr Handy klingelt, daneben Kleinkinder, Polizisten, Jungs in Cowboystiefeln und Zigarette halbschräg im Mundwinkel, hübsche Mädels mit hochgesteckten Haaren und Mundschutz usw.
Auch das alte 1691 erbaute riesige Kloster Ganzen Sumtseling ist ein Besuch wert und wir erleben einige Pujas und ein funktionierendes Klosterleben. Seit der Wiedereröffnung 1981 leben hier über 600 Mönche.

Die Resttage tun uns gut und wir tanken Energie für unsere Reise durch Osttibet und hoffen, dass uns die Kälte nicht allzu sehr in die Knochen kriecht und wir klare Sicht auf die schneebedeckten Berge haben werden.