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Yunnan und Yuan-Fen
Geschrieben von: Lutzi   
Montag, 20. März 2006 um 09:20
Den chinesische Ausdruck "YUAN FEN" - was soviel bedeutet wie: man trifft auf die Menschen, die einem bestimmt sind zu treffen. (so gelesen in Alberts Gästebuch, und auch mir ist es so ergangen). - Wer Albert ist? Nun, ein unglaublich lieber Chinese, der uns seine Heimatstadt Tonghai, deren Kultur, Alltag und Umgebung näher bringt.
Thomas, mein Südtiroler Reisebegleiter für die geplante weitere Zeit in Yunnan und Tibet, hat mir schon von ihm berichtet und mir nahegelegt, in Tonghai einen Stop einzulegen. Klar, mache ich das, nur wie finde ich diesen Albert? Nach einem langen Radtag buchen wir (Steve und ich) erst mal in ein Hotel ein. Ich hab eben erst die Zimmertür geschlossen als es klopft, und die Hotelbesitzerin (eine alte Dame) mir ein Handy in die Hand drückt. Von dem Mann am anderen Ende der Leitung bekomme ich eine Einladung zum Sightseeing. Super, jemand, der Englisch kann und sich anbietet ist doch immer willkommen. Kurz darauf klopft es und Albert stellt sich vor - wenn das kein Zufall ist. Und er nimmt sich die kommenden Tage Zeit, uns Geschichte und Traditionen zu erklären. So erkunden wir zum Beispiel das einzige Mongolendorf in dieser Gegend, wo sich Soldaten, die für Kubul Khan im Kampf um Südchina dienten, nach einer Schlacht vor rund 750 Jahren niederließen. Bis heute haben sie ihre traditionelle Kleidung, den Bausstil und ihre ursprüngliche Lebensweise beibehalten. Zwar waren sie ehemals Fischer, aber da sich der Wasserspiegel des nahen Sees senkte, wurden sie zu Bauern und bauen nicht nur den berühmten Honghe-Tabak an. Während wir durch das Dorf schlendern, sehen wir alte Männer ihre großen aus Bambus gefertigten Wasserpfeifen rauchen, Frauen kommen vom Feld zurück und tragen ihre knallig grünen und roten Oberteile.
Die Gegend im Talbecken um Tonghai ist sehr fruchtbar und das Gemüse und Obst wird sogar bis nach Shanghai, Hongkong und Japan geliefert. Ich sauge die verschiedensten (Zwiebel, Knoblauch, Kartoffel, Kohlarten...) Düfte ein und bin aufgrund der Ernte dieser Gemüsearten doch verwirrt. Bei uns sind das typische Arbeiten für die Herbstzeit. Aber spätestens beim Anblick frisch geernteter Erdbeeren kommt Frühlingsstimmung auf. Auch die Temperatur ist sehr angenehm. Außerdem führt er uns zu rund 150 Jahren alten wunderschön und kunstvoll geschnitzten Holztüren eines Buddha-Tao-Konfuziustempels, erklärt uns die gezeigten Geschichten und übersetzt alte Gedichte.
In einem anderen Dorf treffen wir auf alte Chinesinnen, die nach alter Tradition ihre Füße seit ihrer frühesten Kindheit eng geschnürt haben und nun dementsprechend klein und kaum als normale Füße auszumachen sind. Die Frauen sind meist zwischen 80 und über 90 Jahre alt und nach wie vor stolz darauf. Schließlich nahmen sie die unsagbaren Schmerzen deshalb auf sich, um schön und heiratsfähig zu sein - je kleiner, desto schöner! Es ist jedoch kaum zu übersehen, dass sie nun kaum mehr laufen können!
Ums Eck sitzen am Abend die alten Männer in blauen Arbeiter- bzw. Maoklamotten zusammen, das Mao-Käppchen schräg auf dem Kopf tragend, tauschen die letzten Neuigkeiten aus, spielen Karten oder das chinesische Schachspiel. Diese Freizeitbeschäftigungen begegnet uns auch in den Tempeln des Stadtparks am Hausberg von Tonghai gelegen. Hier wird nicht nur gebetet, sondern man trifft sich unter den uralten schattenspendenden Bäumen und belebt die wunderschöne Anlage. Eine sehr friedvolle Stimmung, die von choralsingenden burmesischen Buddhisten noch unterstrichen wird. Da Albert auch als freischaffender Englischlehrer arbeitet (da er die kommunistischen Ideen kritisch betrachtet, kann er natürlich nicht in staatlichen Schulen arbeiten), komme ich auch in den Genuss, mal wieder zu unterrichten. Die Unterrichtsstunden finden unter freiem Himmel in einem Tempel mit einer starken Atmosphäre statt, und ich habe viel Spaß dabei.
Außerdem serviert uns Albert feinste Yunnan-Spezialitaeten wie gebratene Ente, Gemüsegerichte mit Frühjahrsblüten, Sprossen, frisch gesammelten Pilzen, Fisch, gerösteten Ziegenkäse.
Die restliche Strecke nach Kunming bietet nicht mehr allzu viel landschaftliche Höhepunkte, was v.a. daran lag, dass die chinesische Regierung den Straßenbau auch in dieser eher abgelegenen Region vorantreibt und wir einfach allzu oft mitten im Baustellenverkehr strampeln. Auf der Karte als kleine Landstrasse eingezeichnet, entpuppt sich manchmal als neuer dreispuriger Highway! Der letzte Halt vor Kunming - der Stadt des ewigen Frühlings - war Kun Yang, am südlichen Ende des Dian-Lakes. Eine sehr authentische Kleinstadt, in der kaum Touristen anhalten. Nichtsahnend an einem Essensstand sitzend, gesellen sich Jugendliche zu uns und als ihre Hemmschwelle, Englisch zu reden, erst einmal überwunden ist (wir waren die ersten westlichen Touristen, denen sie je begegnet sind), werden wir zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Super, Steve und ich mitten unter 15-Jährigen, die uns äußerst höflich zu einer Karaokebar führen. Gut, dass sie chinesische Songs bevorzugen. Interessiert höre ich ihren Geschichten zu. Alle sind Einzelkinder und ihre Eltern sind mehr als beschäftigt. Gut, dass sie fast den ganzen Tag Schule haben - so sind sie wenigstens 'aufgehoben', oder nicht?!
Nur Mitglieder der Regierung oder Familien auf dem Land dürfen mehr Kinder haben. Alle anderen Familien müssen weitere Kinder abtreiben. Auch erfahren wir, dass den Chinesen offiziell untersagt ist, mit Fremden Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zu sprechen! Zudem dürfen sie sich nicht ohne ein Permit außerhalb ihres Bezirkes bewegen oder gar mit Ausländern reisen. Als wir zum Hotel zurückschlendern sehen, wir auf dem Hauptplatz Jugendliche Breakdance üben, alte Frauen bei Thai Chi oder um einen Kassettenrecorder beschwingt ihre Kreise ziehen, in der Nähe haben sich alte Herren gruppiert, die ihren zweisaitigen Geigen wilde ungewohnte Töne entlocken und traditionell dazu tanzen; größer könnte der Kontrast nicht sein.

In Kunming, mittlerweile eine 5 Millionenstadt, fühle ich mich recht wohl und es ist einfach, sich zurechtzufinden. Obwohl sie mit wenig wirklichen Sehenswürdigkeiten aufwartet, ist sie interessant.

In einem Tagesausflug geht es zum nahe gelegene 'Stone-Forest', wo auf über 250 Hektar verstreut, Karstkegel aus dem Boden ragen, die sich vor rund 200 Mio. Jahren gebildet haben, als sich das Meer langsam zurück zog. Eine spätere vulkanische Basaltschicht ist mittlerweile abgebröckelt und gibt die scharfkantigen Felsgebilde frei. Obwohl eine Touristenattraktion, ist es eindrucksvoll durch das Steinlabyrinth zu laufen und sich immer wieder von unerwarteten Formationen überraschen zu lassen.