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Angkor Wat, Phnom Penh und der Beach
Geschrieben von: Lutzi   
Sonntag, 12. Februar 2006 um 09:10

Nach der Busfahrt von Kompong Cham nach Siem Reap empfängt mich erst mal eine drückende Hitze. Schon vom Busbahnhof in die Stadt bin ich erstaunt. Das Städtchen protzt mit riesigen Hotelburgen und wer mag, kann sich Luxus in allen Variationen leisten. Auch ich kann nicht ganz widerstehen und lande bei diesen heißen Temperaturen in einem netten 'italienischen Cafe' bei Capuccino, Kuchen und leckerem Schokoeiscreme. Für mich ist hier der krasse Gegensatz von Arm und Reich besonders sichtbar: auf der einen Seite sehe ich viele Bettler, Schnüffelkinder und Jugendliche, die spät abends oder frühmorgens im Müll wühlen und auf dem Gehsteig in einem Müllsack schlafen und auf der anderen Seite die vielen Touristen, die sich meist nur für kurze Zeit aufhalten.
Auch für mich ist der Ort nur Ausgangspunkt für die gewaltige hinduistische und buddhistische Tempelanlage Angkor Wat. Da während der Feiertage zum Chinesischen Neujahr viele Chinesen, Vietnamesen, aber auch Kambodschaner und Koreaner, vorwiegend in großen Tourgruppen, dorthin pilgern, bildet sich in der parkähnlichen Anlage zu Stosszeiten sogar Stau! Deshalb versuche ich mit dem Rad den Massen möglichst aus dem Weg zu gehen, nehme mir Zeit, die architektonischen Meisterwerke zu verschiedenen Tageszeiten zu bestaunen, spaziere durch tolle Wälder, und begebe mich auch zu abgelegenere Tempel. Insbesondere die Gesichter in Bayon, die Symmetrie des Angkor Wat, die riesigen Frangipanibäume in Ta Phrom begeistern mich und die dort eingefangene Stimmung ist nur schwer in Worte zu fassen.

Um das Land mal von einer anderen Perspektive aus zu erleben, entscheide ich mich für die Bootsfahrt nach Battambang. Ein kurzes Stück geht es dabei über den riesigen Tonle Sap-See bevor das Boot den immer schmaler werdenden Stung Sangkar entlang schippert. Zuhause könnte sich niemand vorstellen, einen kleinen Fluss wie z.B. die Wertach mit einem gut 50 Passagieren besetzten Schiff zu befahren. So manches Mal muss mit der Bambusstange dirigiert und gestochert werden, damit wir nicht im Sand festfahren. Interessant sind die Floating Villages allemal, die ich vom Bootsdach in einem neuen Blickwinkel betrachten kann. Das ganze Leben, der ganze Alltag spielt sich hier am und im Wasser ab. Die Häuser sind auf Flößen gebaut, selbst die kleinen (Kräuter-) Gärten, auch die Schule, gehandelt wird in kleinen Booten, gefüllt mit fangfrischen Fischen oder Obst. Faszinierend finde ich die großen Netze, die mittels einem Holzkran ins Wasser gesenkt bzw. aus dem Fluss gehoben werden.
Mein nächster längerer Aufenthalt ist in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, die am Zusammenfluss des Tonle Sap und Mekong liegt und mit einem angenehmen Flair, einer schön hergerichteten Uferpromenade, einem sehenswerten Royal Palace, Nationalmuseum und Spuren der tragisch-traurigen Geschichte aufwartet. So besuche ich auch die frühere Schule, die während der Khmer Rouge-Zeit zum Gefängnis umgebaut wurde und als S-21 bekannt ist. Sehr bedrückend, wenn man bedenkt, dass sehr viele Khmerpoeple gefoltert wurden und starben. Noch heute sind die Massengräber in den sogenannten 'killing fields' zu sehen. Mit der entsprechenden Literatur wird einem das damalige Geschehen richtig bewusst.
Zufälle bestimmen meine Tage hier:
So treffe ich im größten Gewimmel zum Sonnenuntergang in Angkor Wat tatsächlich das Münchner Pärchen Stefan und Bettina (www.sirdar.de), die ich ja schon in Tibet getroffen habe.
In Phnom Penh sticht mir ein T-Shirt vom Oberstdorfer 1/2-Marathon ins Auge und es stellt sich heraus, dass Sebastian tatsächlich aus Altusried stammt und wir uns bisher nur aus Erzählungen kennen! Am nächsten Morgen treffe ich auf die Dresdnerin Ruth die schon seit gut 3 Jahren mit dem Rad allein die Welt erkundet. Es gibt sie also doch - die Frauenpower! Wir sind auf einer Wellenlänge und können so manche Erfahrung teilen.
Mein Halbjähriges feier ich am Beach, im Süden von Kambodscha. Der Strand ist nichts besonderes, noch etwas verschlafen, aber ich genieße das Meer, die Spaziergänge am Sandstrand, gute und interessante Gespräche über Politik und mehr, frisches Seafood und Früchte, Sonne und kurze Regenschauer, Bamboohuts und chillige Musik, Childrens Art Gallery, Theater für Straßenkinder usw.
... was sonst noch bleibt:

·        Korruption ist nach wie vor an der Tagesordnung. Wer keine sogenannte 'strong line' hat, wird sich schwer tun, neue Ideen zu verwirklichen; Schmiergelder sind keine Seltenheit;

·        arme Leute, aber auch viele Kinder, die zum Betteln erzogen werden, Jugendliche mit Schnüffeltüte und gestörter Koordination; (Groß-) Eltern, die mit ihren Kindern/Enkeln am Strand entlang ziehen und Geld oder Essen erbetteln; junge Kinder, die mit Essen, Ketten und Schmuck einige Dollar dazuverdienen wollen und auch noch sehr spät abends unterwegs sind

·        Projekte, um den Straßenkindern eine Hoffnung zu geben (Theater für Aidsaufklärung und Hygiene...), Kinder malen am Strand und verkaufen ihre kleinen Kunstwerke

·        Der Schlafanzug ist bei Frauen ein beliebtes Kleidungsstück - bequem, bunt und so ein Teddybär macht doch was her, oder nicht? so gesehen auf der Neujahrsparty, während die Jungs hochgestylt erscheinen, selbst ältere Frauen stehen im Pyjama in ihrem Marktstand

·        das karierte typische Khmertuch - der sogenannte Kroma, das in allen Variationen um den Kopf gewickelt werden kann, die Cham-Moslems, eine Minderheit, die mehr oder weniger akzeptiert ist und meist vom Fischfang lebt (ein sehr befremdender Anblick! :junge Mädels, total schwarz verschleiert und Jungen in ihren weißen Umhängen, daneben die nackig umherrennenden Khmerkinder, die Moschee neben einem neu gebauten Vat...)

Nun habe ich am Strand neue Energie getankt und werde morgen nach Vietnam einreisen. Da ich Ende März einen Freund in China, in der Provinz Yunnan treffen werde und mit ihm durch Osttibet radeln möchte, werde ich mich bis Hanoi dem Mainstream-Tourismus anschließen und so manche Strecke mit dem Bus bewältigen.