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Viet Nam - ein Land voller Gegensätze
Geschrieben von: Lutzi   
Sonntag, 26. Februar 2006 um 09:11
Viet Nam - dem dritten Land, das ich in Indochina bereise - eilt nicht ein besonders guter Ruf voraus, und so war ich natürlich gespannt, ob sich die Travellerberichte mit meinen Erlebnissen decken werden. Leider ja! Soweit ich das bisher beurteilen kann. Aber das ist bisher ja nur eine sehr eingeschränkte Sichtweise, da ich mich ja faktisch nur mit dem Bus von einer Stadt zur nächsten fahren ließ. Ich habe selten erlebt, dass sich ein Land und die einzelnen Städte derart auf den Tourismus eingestellt haben. Durchorganisierte Sightseeing-Touren, Einkaufsläden und Boutiquen, besondere Aktivitäten mit Kultur, Geschichte und Sport. Man kann hier so richtig bequem reisen, und wer auf eigene Faust was unternehmen möchte, kommt fast grundsätzlich teurer weg. Ich entscheide mich für das Open-Bus-Ticket, was den Vorteil hat, dass es eine unschlagbar günstige (18 Dollar von Saigon nach Hanoi) und schnelle Variante ist, das geografisch langgezogene Land zu bereisen und einen ersten Eindruck zu gewinnen. Ich hab mich entschieden, den Nordenwesten genauer zu erkunden und mache deshalb nur in einigen Städten in Süd- und Zentralvietnam Halt. In Hanoi angekommen, stelle ich fest, dass das Reisen mit dem Bus fast anstrengender ist, als auf dem Rad. Die Landschaften fliegen nur so an mir vorbei und ich nehme nach den vielen Stunden im Bus nicht wirklich etwas wahr, hänge im Halbschlaf im Sitz und suche v.a. während der zwei langen Nachtfahrten die bequemsten Positionen.
Erstaunt bin ich wieder mal über die vielen auffälligen Unterschiede, beim Grenzübertritt von Cambodia nach Viet Nam. Die geschwungene Schrift der Khmer wird von lateinischen Buchstaben mit Betonungspunkten und –dächern abgelöst, die Sprache klingt wesentlich aggressiver, obwohl melodisch und für mich sehr schwer nachzusprechen. Allgemein wirken die Vietnamesen deutlich ernster und ein Lächeln zaubern sie nur selten auf die Lippen. Na ja, mal sehen, ob sich das im Norden, wenn ich durch die Dörfer radeln werde, ändert.
Erst mal lande ich in Saigon bzw. wie es heute genannt wird: HoChiMinhCity oder kurz HCMC. Diese große Stadt ist crazy, laut, hektisch, viele scheinen unglaublich geschäftig und es ist sehr modern. Die Modernität definiert man hier aber auch am Verkehr. Das Hauptverkehrsmittel sind Motorräder und Fahrräder und zur Rush-Hour ist allein das Überqueren der Strasse ein kleines Abenteuer. Man fährt auf der linken oder rechten Spur, biegt auf seltsamste Weisen ab, aber man ist immer schnell unterwegs, Leute kreuzen gemächlich die Strasse, bleiben inmitten dieser stehen und unterhalten sich. Eigentlich gibt es nur eine Verkehrsregel: halte niemals an, auch wenn du noch so schnell in eine Strasse einbiegst. Der Schnellere bzw. der mit der lauteren Hupe hat prinzipiell Vorfahrt. Rote Ampeln werden auch kategorisch übersehen. So ist es nicht verwunderlich, dass hier wie wild gehupt wird, was meine Nerven so manches mal ganz schön strapaziert! Was soll's. Prinzipiell kommt mir das entgegen und ich schwimme im Verkehr mit. Zur Hauptverkehrszeit ist das ein besonders eindrucksvolles Erlebnis, solange man voll konzentriert ist...schwupps lande ich in einem dreispurigen Kreisverkehr - stellt sich nur die Frage, wie ich da wieder rauskomme.

In Saigon ließ ich erst mal meine Spiegelreflexkamera richten. Nach vielen Stunden herumkurven habe ich einen geeigneten Shop entdeckt und somit auch etliche Stadtteile erkundet. Mit der reparierten Kamera machte ich mich mit neuem Schwung auf, um die vielen bunten Eindrücke festzuhalten. Interessant war das Chinesenviertel mit etlichen Pagodas und Tempeln, die mit den unterschiedlichsten Stilen wie Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus aufwarten. Auf dem Markt teste ich alle möglichen Candyvariationen mit Cocos, Tamarind...,die zum Teil mit Chili richtig feurig scharf schmecken. Im Touristenviertel schmiegt sich ein edler Laden neben teure Boutiquen, Galerien mit Bildern aktueller vietnamesischer Künstler. Außerdem findet Sportunterricht in den Stadtparks statt, während ich daneben in einem Cafe sitze, die neuesten Nachrichten lese und mir den Kuchen schmecken lasse. Man spielt Badminton oder trifft sich zu ThaiChi im nahen Park oder auf dem Gehsteig, an der Riverside sieht man große Frachtschiffe, dementsprechend rauschen riesige Laster an dem Boulevard entlang, in den schmalen Gassen sieht man die alten Vietnamesen beim Tee zusammensitzen und von meinem Balkon aus bekomme ich einen anderen Einblick in ihre Lebensweise. Auch hier besitzt man keinen Kleiderschrank; die Klamotten werden einfach nach draußen gehängt, in den kleinen Wohnungen schlafen alle Familienmitglieder auf dünnen Strohmatten am Boden, um nur einiges zu nennen.
Um dem Lärm und der Hektik der Großstadt zu entkommen, mache ich in dem ruhigen Badeort Muine Halt und verbringe einige Stunden im Liegestuhl an meinem Strandbungalow unter Palmen. Mit zwei anderen Mädels erkunde ich die nahen Sanddünnen, einen kleinen wunderschön rot leuchtetenden Sandstein-Canyon und genieße die hohen Wellen. Das nahe Fischerdorf ist bekannt für die Produktion von Fischsauce, welche in Vietnam quasi zum Würzen jeglicher Speise verwendet wird. Die über Nacht frisch gefangenen Fische werden zu Tausenden auf Netzen zum Trocknen ausgelegt, was in der Kombination mit den kleinen, runden wie Nussschalen aussehenden Booten sehr malerisch aussieht. Schade ist, dass die lokale Bevölkerung jeglichen Abfall auch am Strand liegen lässt und man nur an Tourstränden einen sauberen Sandstrand vorfindet. Auch in Nhatrang - einem weiteren, etwas nördlicher gelegenen Badeort - verbringe ich einen Tag am Beach und bade in den hohen Brandungswellen bis es mir vor lauter Durchnudeln komplett schwindlig ist. Was ich erst später bemerke ist, dass ich meinen im Bikini versteckten Radschlüssel dabei verloren habe. Na fein - bin froh mein Rad nicht an die Palme gekettet zu haben. Einem Taxifahrer mache ich mit Zeichensprache verständlich, dass mein Radschloss aufgebrochen werden muss. Schließlich verladen wir es in seinen Minibus und fahren zu einem der Straßenhändler, welcher Schlüssel in Sekundenschnelle nachmachen kann. In kürzester Zeit ist mein tolles Schloss geknackt - so viel zur Sicherheit! Da ich vormittags schon durch die Stadt gecruist bin, weiß ich wo die Radhändler zu finden sind und kaufe mir ein Neues.

Nach einer nicht gerade angenehmen Nachtfahrt nach Hoian empfängt mich leichter Regen. An manchen Ecken steigt noch Dampf auf, die Einheimischen rücken unter Plastikplanen auf niedrigen Plastikhockern zusammen und schlürfen ihre obligatorische Nudelsuppe zum Frühstück. Dazu wird heiße Sojamilch oder starker Cafe gereicht, der mit der gesüßten Kondensmilch bald zu meinem Lieblingsgetränk wird. In dem netten Städtchen findet man noch viele alte Häuschen, die im französischen Stil erbaut wurden, und dank der UNESCO (ist seit 1999 zum Weltkulturerbe erklärt worden) in erfreulich gutem Zustand sind. Schade ist nur, dass sich in quasi jedem Haus ein Laden mit Souvenirs, ein Schneider oder ein Cafe/Restaurant befindet und man somit auch ständig in diese Laden aufgefordert wird und es zu sehr kommerzialisiert wurde. Aber auch ich kann nicht widerstehen und bin meine T-Shirts vielleicht zu sehr satt, sodass ich mir edle Kleidung schneidern lasse. Ich habe Glück auf die Wasserburgerin Gitti zu treffen. Mit ihr habe ich nicht nur eine kritische Beraterin an meiner Seite, sondern höre mal wieder heimatliche Töne. So verbringen wir etliche amüsante Stunden miteinander; außerdem nimmt sie meine Einkäufe mit nach Hause! Am nahen Beach erhole ich mich vom Bummeln bis mich auch hier wieder die tüchtigen Verkäuferinnen aufstöber und sie mir ihre Pineapples, Mangos usw. aufdrehen wollen. Aber ihre aufdringliche Art ist mir ziemlich zuwider, wenn sie unter ihrem konischen Reisstrohhut, der unter dem Kinn festgezurrt ist hervorblinzeln und durch ihren Mundschutz in leicht aggressivem Ton zischen: Hey, you - you buy from me.
Pineapple, very cheap my friend. Happy hour, for you, cheap price... and so on. Ich denk mir - ich, ihr Freund?? nun wirklich nicht und setze eine versteinerte Miene (=iron face) auf und beschließe sie zu ignorieren, was mich richtig viel Energie kostet.

In der Kaiserstadt Hue - insbesondere in der berühmten Zitadelle - begegnet man den unterschiedlichsten Epochen der vietnamesischen Geschichte. Diese wurde mit ihrer Wallanlage Wohnhäusern, kaiserlichem Theater und Bibliothek im 17./18. Jahrhundert errichtet und diente mehreren Kaisern als Schutz gegen Rebellen. Aber nicht nur das. Während des Vietcongkrieges bzw. der französischen Kolonialisierung wurden die meisten Häuser innerhalb der Zitadelle niedergebrannt! Damit nicht genug, zerbombten die Amerikaner während des Vietnamkrieges 1968 die meisten Gebäude im 28 Tage dauernden Gefecht, dem sogenannten Tet-Angriff. Heute ist die UNESCO am Wiederaufbau tätig, aber die Bombeneinschläge im Boden und in den noch stehenden Mauern sind deutlich zu erkennen. Heute wird die Jugend auf dem riesigen Platz vor dem Flaggenturm im Sportunterricht gedrillt (marschieren, still gestanden, salutieren,... und dazwischen einige Joggingeinlagen, Wurftraining...). Ebenfalls interessant sind die verschiedensten Kaisergräber rund um Hue, die sehr harmonisch mit Parkanlagen oder an einen Hügel geschmiegt und mit Keramikmosaiken verziert sind. Sobald man sich nur wenige Meter außerhalb der Touristenpfade bewegt, sind die Vietnamesen gar nicht so unfreundlich. Verwunderlich auch die Rund-um-die-Uhr-Beschallung der kleinen Dörfer mit Propagandalaufsprechern.