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Western Tibetan Highway/ Xinjiang-Highway
Geschrieben von: Lutzi   
Freitag, 23. September 2005 um 08:27

Tashi deleek aus Ali/Tibet. Die erste Etappe führt uns von Kashgar nach Yecheng/Kargilik (uiygurischer Name). Frisch gestärkt machen wir uns auf in die heiße Wüste. Leider konnte Franz nicht mit, da er mit Magen/Darmproblemen zu kämpfen hatte und sich lieber noch schonen wollte. Aber er begleitet uns zur Mao-Statue zum Fotoshooting (ist ja nicht selbstverständlich, dass so viele Radler das gleiche Ziel haben).

Die rund 260 km führen immer wieder an bewässerten, kultivierten Feldern mit Sonnenblumen, Gemüse oder Obst und Baumreihen vorbei, bis uns nach rund 60 km die Steppe oder besser gesagt Steinwüste einholt. Die Strasse führt kilometerweit geradeaus und bietet wenig Abwechslung. Froh mit so einem lustigen Haufen unterwegs zu sein wechseln wir uns mit Tempomachen ab, haben uns genügend zu erzählen und werden zu einer richtig eingeschworenen Gemeinschaft. Mit dem feinen Rückenwind schaffen wir sogar 160 km trotz der trockenen Hitze und zelten nahe einem Dörfchen. Außerdem können wir uns hier waschen: na ja, es ist zwar nur ein Bewässerungsgraben mit rotbraunem Wasser, aber trotzdem eine feine Abkühlung.

Am folgenden Tag müssen wir alle mit schmerzenden Hintern kämpfen. Aber Begegnungen in den Dörfern machen alles wett: Einmal wollen wir nur unsere Getränke mit Cold Drinks nachfüllen, um das warme Wasser in unseren Trinkflaschen aufzupeppen. In kürzester Zeit sind wir von einer riesigen Menschenmasse umgeben. Cameron hat rund 150 Leute gezählt, die alle unsere Räder, Tachos und uns begutachten. Es wird dabei nur wenig gesprochen, aber wir machen ihnen unsere Nationalitäten und die bisher gefahrene Strecke klar und manche kramen ihr spärliches Englisch heraus. Man ist verwundert und gleichzeitig voller Bewunderung; v.a. die Blickkontakte mit Frauen sind spannend und bewegend für mich. Außerdem ist die Digitalkamera Gold wert. Bilder, die geschossen werden, kann ich ihnen gleich zeigen, man richtet sich her fürs Fotografieren - echt lustig.

Das Gerücht, dass Chinesen rücksichtslose Auto- und Truckfahrer sind, kann ich nun bestätigen. Insbesondere in Dörfern wird mit einem Affenzahn durchgefetzt, die Hupe bleibt auf Dauerstellung, selbst wenn niemand im Weg ist oder sich die Leute deutlich auf dem Seitenstreifen befinden. Das zehrt an den Nerven und ich bin froh, nicht in so einem Bus zu sitzen.

Dieses Hupen verfolgt uns bis zum Hotel in Kargilik, das sich blöderweise genau neben dem Busbahnhof befindet. Man bremst erst in allerletzter Minute und der Platz vor dem Hotel ist einer der gefährlichsten, den ich kenne. Wir verweilen hier noch einen Tag länger, organisieren die kommenden (Camp-)Tage und ich genieße das uiygurische Treiben, besonders in den Abendstunden. Wir treffen auf zwei weitere Biker (Silvan aus Frankreich und Drus aus Israel). Es kursieren Gerüchte, dass man an einem neuen Checkpoint außerhalb der Stadt nicht durchkommen würde, da seit dem 1. September  wegen dem anstehenden Fest bzw. Jubiläum, dass China Tibet vor 40 Jahren offiziell zur autonomen Region erklärt hat, die Einreise für Ausländer gesperrt ist. Mal sehen, wie wir durch diese Posten kommen oder sie umgehen können.

Wir haben Glück! Die Checkpoints scheinen aufgehoben und wir können ungehindert den Xinjiang-Highway angehen. Eine Radspur im Sand verrät uns, dass sich Franz bereits vor uns befinden muss. Er ist lange Etappen geradelt, um uns wieder einzuholen und tatsächlich treffen wir uns zur Mittagspause! Nicht schlecht und so starten wir zu sechst weiter. Die Landschaft ist schön und abwechslungsreich, obwohl nicht oder nur selten grün; ähnlich dem KKH, nur ohne die Eisriesen. Immer wieder geht es Täler entlang, erodierte Bergflanken sind Zeugen von gewaltigen Wassermassen in der Regenzeit bzw. in vergangenen Zeiten. Auch wir bleiben nicht ganz vom Regen verschont. In Kudi (am zweiten Tag nach Yecheng) bleiben wir nachmittags aufgrund des Regens in einem kleinen schnuckeligen Lokal hängen und nehmen es in unseren Besitz. Ein Tisch wird weggestellt, 6 Räder eingestellt und abends legt Cameron (westliche) Musik in den CD-Spieler ein. Den Chinesen scheinen daran Gefallen zu finden und zeigen uns, was in ihren Musikboxen steckt. Leider sind die Häuser hier nicht gerade für Dauerregen ausgelegt. Nachts muss ich im Lokal sogar den Schlafplatz wechseln, da es überall hereintropft. Macht nichts. Meine Matratze wird kurzerhand auf zwei Holzschragen gelegt! Die Überraschung ist groß als ich morgens unter mir eine Riesenpfütze bemerke und so manche Tasche im Nassen steht. Wir sind froh, dass sich die Wolkendecke lichtet, sich mit Schnee überzuckerte Berge zeigen und wir den mittlerweile ungemütlich gewordenen Platz verlassen können.

Der folgende Tag sollte lang werden: 2000 Hm auf fast 4900 Metern Höhe und rund 85 km gestalten sich mit unserem Gepäck gar nicht so einfach, obwohl sogar noch ein Teilstück geteert ist - welch Luxus. Da wir nicht auf dem Pass bzw. über 4500 Meter übernachten wollen, weil wir dazu noch nicht akklimatisiert genug sind. Wir entscheiden uns, den Pass zu queren, auch wenn es schon nachmittags ist als wir uns auf 4300 befinden. Uff, erst gegen 19 Uhr erreiche ich als letzte von uns vier (Peter, Cameron, Michl) den Pass. Es ist kalt, windig, hat ein wenig zu schneien begonnen und wir wissen, dass es gleich richtig dunkel sein wird. Mir frieren bei der Abfahrt fast die Hände und Füße ein und da hilft nix anderes mehr, als mich immer wieder aufzuwärmen. Mit Peters Handschuhe schaffe ich die nächtliche Abfahrt bis Mazar. Gut, dass die Piste nicht allzu schlecht ist und der Mond hell genug leuchtet, um die Konturen des wunderschönen Tals in milchiges Licht zu tauchen. Wie freuen wir uns über ein warmes Restaurant. Todmüde fallen wir in die Betten. Tja, jetzt sind wir nur mehr zu viert (Rob und Franz konnten das Tempo nicht halten, Silvan hat ziemlich Kopfweh und Drus Magenprobleme).

Mazar, wenige Häuschen, fast alle mit Restaurant, Shop (Kekse, RedBull, Juice, Zigaretten, Bier...) und Schlafmöglichkeit liegt am Kreuzungspunkt zweier Täler (Luftlinie zum K2 sind nur mehr rund 80-100km, aber man kann ihn nicht sehen, und man darf aufgrund Militärsperren nicht näher heran) und begrüßt uns mit herrlichstem Wetter. Die frisch verschneiten Bergkuppen ragen in den blauen Himmel. Frühstück nehmen wir im Freien bei Sonnenschein ein, relaxen, machen einen Bikecheck, lesen und mir wird bewusst, dass ich heute wieder arbeiten müsste!

Frisch gestärkt machen wir uns zum Xaidulla-Pass auf. Aber die üble Waschbrettpiste lässt unser Tagespensum schrumpfen. 50 km in fast 5 Stunden! Dafür erleben wir eine traumhafte Nacht am Fuß des Passes auf rund 4000 Hm. Der Xaidullapass zieht sich mit vielen Serpentinen auf über 4900 Hm hin. Es macht Spaß! Die Abfahrt beschert mir einer meiner besten Momente. Mich faszinieren die Rot-/Gelb-/Braunen-Töne in allen möglichen Schattierungen, dazu saftiges Grün neben klarem Bach, und Kamele.

Der Ort Xaidulla ist nicht gerade einladend. Die heulenden Hunde machen die Nacht zur Tortur, mit dem Lokalbesitzer müssen wir sogar um den richtigen Preis für die Frühstückseier feilschen. Da hier fast alle Trucks halten, entschließen wir uns dazu, einen nach Ali ausfindig zu machen. Michl hat sich leider noch nicht wirklich erholt von seinen Magen-Darm-Beschwerden, außerdem haben wir einen riesengroßen Respekt vor dem vor uns liegenden Teilstück über das hohe Aksai-Chin-Plateau, welches der chinesische Teil von Kashmir ist und als eines der höchsten befahrbaren  Plateaus der Erde mit einer Durchschnittshöhe von rund 5000m Höhe gilt. Wir haben Glück und finden einen Lkw, der sogar im Fahrerhaus Platz hat (sonst sitzen hier bis zu 6 Leuten!) und uns für einen Spottpreis von 200 Yuan (rund 25 Dollar pro Person) mitnimmt. Der Fahrer hebt sich angenehm von der chinesischen Masse ab: angenehm ruhig, raucht nicht, hört keine Musik (sonst haben Chinesen ihre Musik oder speziell den Fernseher unglaublich laut aufgedreht), ist super hilfsbereit, schenkt uns feine Früchte, lehrt uns chinesisch (verdammt schwere Aussprache), und ist sehr besorgt um seinen Truck.

Es werden hier noch mal zwei Reifen gewechselt. Super, denk ich mir. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. Von wegen. Schon auf den ersten 30 km haben ebendiese Reifen Plattfuss und wir benötigen 5 Stunden bis hierher. Was soll’s! Zwischenzeitlich nahmen wir ein kühles Bad im Fluss und haben Zeit zum Lesen. Nur schade, dass wir deswegen viel im Dunklen gefahren sind.

Freitag, der 16. September ist ein spezieller Tag! Wir durchqueren bei herrlichstem Wetter das einzigartige Plateau Aksai-Chin. Die Pässe (zwischen 4900 und 5200m hoch) ziehen sich unglaublich in die Länge. Da der Truck rund 30 Tonnen geladen hat (interessant, dass die zu querenden Brücken die Warnschilder mit einer Belastung von 13 Tonnen angeben), kommen wir nur mit durchschnittlich 25-30 km/h voran. So bleibt uns genügend Zeit die Weite, die tolle Szenerie wahrzunehmen. Im Norden liegt das KunLun-Gebirge mit seinen 6000 und 7000er, im Süden die Grenzberge zu Indien und vor uns einige Gletscherberge, welche die Grenze zu TIBET markieren.

Manche Täler glänzen grün-gelb an roten Flanken, wir sehen die seltenen Hodge- Steinböcke und Murmeltiere, kommen an tollen Seen vorbei. Ich bin angenehm überrascht über diese Vielseitigkeit und manchmal wäre ich eben doch lieber geradelt!

Nachdem wir nicht in dieser Höhe übernachten wollen, fährt unser Fahrer bis spät in die Nacht nach Domar. Ach ja - und dann wechseln wir des Nachts halt noch mal den gleichen Reifen. Mittlerweile wissen wir ja wie es geht! Diese, wie auch die nächste Nacht (vor Ali), werden wir zu dritt im Fahrerhaus schlafen: ein besonderes Erlebnis und sicher nur möglich, wenn man schlagmüde ist.

Der folgende Tag ist leider bedeckt und es regnet bzw. schneit häufig, sodass die Landschaft nicht mehr ganz so eindrucksvoll ist. Beeindruckend ist jedoch der Pangongtso-Lake, der sich auf 110 km erstreckt (hier könnte man bis Ladakh paddeln). Die Mittagspause im Fischlokal ist interessant.